Quo vadis Tansania? Das Land unserer Partnergemeinden hat erstmals eine Präsidentin

Präsidentin Samia Suluhu Hassan
Bildrechte Veröffentl. genehmigt durch die tansan. Botschaft in Berlin

Für uns in Deutschland war der bisherige tansanische Präsident John Pombe Magufuli eine interessante, ja, schillernde Erscheinung. So ist ihm hoch anzurechnen, seit Beginn seiner ersten Amtszeit 2015 ernsthaft die weit verbreitete Korruption eingedämmt und intensiv in die Infrastruktur seines Landes investiert zu haben. Andererseits war er kein Freund von Kritik, hat zusehends Oppositionspolitiker verfolgt und die Pressefreiheit eingeschränkt. In Europa bekannt wurde er vor allem dadurch, dass er vor der Corona-Pandemie die Augen verschlossen und diese nach einem dreitägigen nationalen Gebet Mitte letzten Jahres für beendet erklärt hat.

Er sprach sich gegen weitergehende Schutzmaßnahmen aus und ließ auch keinen Impfstoff für die Bevölkerung bestellen. So wurden ohne Lock-Down zunächst weder die Produktion im Land noch der Zustrom von Touristen gebremst, doch stellte diese Entscheidung sowohl für die Bevölkerung in unseren Partnergemeinden als auch für die tansanischen Politiker selbst ein hohes gesundheitliches Risiko dar. Dies zeigen die oft auf „Atemwegsinfekte“ zurückgeführten steigenden Sterbezahlen in der Bevölkerung genauso wie der mehr oder weniger offiziell durch COVID herbeigeführte Tod des Vizepräsidenten der teilautonomen Inseln Zanzibar und Pemba.

Im Februar diesen Jahres riefen die Kirchen zur Vorsicht auf. Vorsichtsmaßnahmen seien „nicht gegen den Glauben gerichtet. Es ist keine Sünde und kein Verbrechen, sich vor dem Virus zu schützen. Keine Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, wäre wegen der Pandemie eine Versuchung Gottes“, so der Leitende Bischof der Evang.-Luth. Kirche in Tanzania (ELCT), Bischof Dr. Fredrick O. Shoo.

Nun scheint auch der Corona leugnende Präsident Magufuli im März 2021 selbst ein Opfer dieses Virus geworden zu sein.

Trotz anfänglich heftiger Diskussion, ob denn eine Frau das höchste Amt im Staat ausfüllen könne, folgte den Vorgaben der Verfassung entsprechend die bisherige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan dem verstorbenen Magufuli als Präsidentin nach. Die 61-Jährige stammt von der Insel Zanzibar, war lange in der Verwaltung Tansanias tätig und erwarb mehrere Studienabschlüsse tansanischer und internationaler Universitäten im Bereich Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften. Seit 2010 war sie Parlamentsabgeordnete und 2015 wurde sie Vizepräsidentin Tansanias. Die neue Präsidentin steht nun vor der großen Aufgabe, das in den letzten Jahren zunehmend gespaltene Land wieder zusammen zu führen, ganz im Sinne von Tansanias erstem Staatspräsidenten Julius Nyerere. Mit einem Krankenbesuch bei Oppositionsführer Tundu Lissu im Jahr 2017 bereits zeigte sie, für ein gutes Miteinander von Opposition und Regierungspartei eintreten zu wollen. Und auch in ihrer ersten Regierungserklärung steckte sie ihren Hoffnung machenden Kurs ab: so solle ein Expertenrat gegründet werden, der die Regierung in Sachen Corona berät, die Pressefreiheit solle wiederhergestellt und der öffentlichen Diskurs solle gefördert werden.

Wie weit die Corona-Pandemie Tansania im Griff hat, ist schwer zu belegen. Denn seit der verstorbene Staatspräsident Magufuli im Mai 2020 die Pandemie für beendet erklärt hatte, wurden keine Tests mehr gemacht und keine Zahlen über das Infektionsgeschehen mehr an die Weltgesundheitsorganisation WHO gemeldet.

Bedenklich stimmt jedoch, dass die römisch-katholische Kirche und die Evang.-Luth. Kirche in Tansania von vermehrten Atemwegserkrankungen und einer spürbaren Zunahme an Todesfällen berichten, obwohl derartige Berichte verboten waren.

So sind nach Angaben von Bischof Dr. Fredrick Shoo in seiner Norddiözese bisher fünf Pfarrer, Generalsekretär Arthur Shoo und viele andere Mitarbeitende an COVID gestorben. Auch der ehemalige Dekan von Karatu, Samwel Slaa, wurde wegen einer nachgewiesenen Coronainfektion ins Kilimanjaro Christian Medical Center nach Moshi in stationäre Behandlung gebracht. Da es keine funktionierende Krankenversicherung gibt, müssen die Behandlungskosten privat getragen werden. Dies ist für die Familien eine wirtschaftliche und organisatorische Herausforderung. Auch gibt es im tansanischen Gesundheitssystem keine Krankenpflege in unserem Sinne: Patienten werden vom Krankenhaus nur medizinisch betreut. Die eigentliche Pflege wie Waschen, aber auch die Versorgung mit Essen oder Wäsche obliegt den Angehörigen, die dazu mit dem Kranken zum Krankenhaus reisen und dort während des Krankenhausaufenthalts ihres Patienten auch leben müssen.

In dieser verunsichernden und schwierigen Situation im Land wünschen sich viele Menschen in Tansania eine starke, aber gerechte und Gegensätze überwindende Persönlichkeit als Staatspräsidentin. Hoffen und beten wir, dass Präsidentin Samia Suluhu Hassan die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen kann!

Das bestätigen die Stimmen einiger Menschen aus Tansania, die wir per WhatsApp eingeholt und in diesen Artikel eingestreut haben (sehen Sie weiter unten).

Mit diesem kurzen Einblick in die aktuelle Situation in Tansania bitte ich Sie:
Begleiten Sie in Gedanken und Gebeten die Menschen in unseren Partnergemeinden und in ganz Tansania!


Artikel von Markus Horn (bearbeitet), Bilder Pfr. Roland Thie,
Dank an die tansanische Botschaft Berlin, für das Bild von Präsidentin Hassan von der Hompage der Tansanischen Regierung

Alfa Mahenge
Bildrechte Roland Thie

Alfa Mahenge, Theologiestudentin, Makumira:

Unsere Hoffnung in Bezug auf die neue Präsidentin Samia ist es, dass sie Verbesserungen im Wirtschaftsleben unseres Landes ermöglicht und dass sie gegen die Korruption kämpft. Auch erhoffe ich mir eine Stärkung von uns Frauen. Ich erwarte aber auch, dass sie das fortsetzen wird, was der verstorbene Präsident Dr. Magufuli begonnen hat bei der Entwicklung der Infrastruktur unseres Landes.

Pfarrer Zakayo Chaula
Bildrechte Roland Thie

Pfarrer Zakayo Chaula, Maneromango:

Meine und die Hoffnung der Mehrheit der Tansanier ist groß in Bezug auf unsere Präsidentin Mama Samia. So gab sie uns in einer Rede gestern ein Gefühl der Sicherheit. Sie forderte die Einhaltung der Pressefreiheit und die Freilassung von politischen Gefangenen. Auch sollen die Beziehungen zwischen Tansania und anderen Ländern der Welt wiederhergestellt werden. […] Investoren sollen wieder willkommen sein und vieles mehr.

Janet Shoo
Bildrechte Roland Thie

Janet Shoo, Moshi:

Präsidentin Samia Suluhu Hassan vertraut auf Gott und sie bittet, dass Gott ihr bei der Führung des Landes hilft. Und sie wird dabei unterstützt von vielen Menschen in Tansania und von vielen internationalen Organisationen. Sie führt die Politik ihres Vorgängers zwar offiziell fort, verändert sie aber auf höchst diplomatische Weise hin zu mehr Offenheit und Partizipation. […] Sie ermutigt die Menschen, ihre Meinung zu sagen. […] 99 % der Menschen in Tansania reden nach anfänglichen Bedenken, ob eine Frau Präsidentin sein kann, positiv über sie, und sagen, sie wollen sie unterstützen. Sie zeigt einen partizipativen, weiblichen Führungsstil, der bisher sehr überzeugend ist. Mit mir bitten viele meiner Landsleute Gott inständig, dass er sie beschützt. Denn wir brauchen jetzt eine Präsidentin wie sie.

Dekan Barikiel Panga
Bildrechte Roland Thie

Dekan Barikiel Panga, Karatu:

Auf Präsidentin Samia setzen wir große Hoffnung. Zum Beispiel betont sie die Bedeutung der Informations- und Meinungsfreiheit. Und sie will, dass die Zahlung von Steuern ohne Belästigung oder Erpressung geschieht. Auch weist sie auf die Bedeutung der internationalen Beziehungen hin und will, dass wir uns an den Bemühungen aller Nationen zur Bekämpfung von Corona beteiligen sollen, weil wir Teil der einen Welt sind. Darüber hinaus beabsichtigt sie, einen Expertenrat zu bilden, der uns sagt, was wir gegen Corona tun sollen. Dies ist ein guter Schritt und führt im Land zu viel Erleichterung. Wir glauben, dass sogar unterdrückende Gesetze geändert werden.

Zum Weiterlesen:

  • Deutsche Welle: Opinion: Tanzania´s John Magufuli hid his tyranny behind a blame game | Opinion | DW | 26.03.2021
  • Daniel Keiling: „Im Land des Corona-Leugners“ in „Gesundheit ist besser als Reichtum“, Evang.-Luth. Missionswerk Leipzig, 2021
    Romy Steinbach: „Erfahrungen einer deutschen Krankenschwester in einem tansanischen Krankenhaus“ in „Gesundheit ist besser als Reichtum“, Evang.-Luth. Missionswerk Leipzig, 2021
  • Süddeutsche Zeitung: www.sueddeutsche.de/politik/corona-tansania-praesident-1.5232307
  • Deutsche Welle: Samia Suluhu Hassan wird Tansanias erste Präsidentin | Aktuell Afrika | DW | 19.03.2021
  • All Africa: Tanzania‘s Samia Hassan Has the Chance to Heal a Polarised Nation - allAfrica.com